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Helmut Herman Bechtel - Zoltán Szendi
Tradition und Modernität in der ungarndeutschen Literatur

Robert Becker: Pflanzenkunde

Robert Becker: Pflanzenkunde

Erst hat sie sich
mit den Blüten bekannt gemacht,
dann lernte sie die Blätter kennen.
Jetzt, wo ihr dunkles Haar
von grauen Fäden durchflochten wird,
schließt sie die baldige Bekanntschaft
auch mit den Wurzeln.

(1987)

 

 

Interpretation

Das Gedicht „Pflanzenkunde“ fasst mit schlichten Metaphern das Menschenleben zusammen. Im Text wird zwar das Personalpronomen „sie“ erwähnt und gewiss an eine, dem Dichter nahe stehende Frau (Mutter) gedacht, doch ist diese „Kurzbiografie“ für jeden, der das Alter erreicht hat, passend. Trotz des sachlich nüchternen Tons und der Ironie im Titel enthält die Naturmetaphorik einen tröstenden Hinweis auf die Naturverbundenheit der in ihrem Lebensabend stehenden Frau. Die Ironie drückt – wie immer – auch hier Ambivalenz aus: Schmerz und Einsicht in die notwendige Todesnähe.