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Helmut Herman Bechtel - Zoltán Szendi
Tradition und Modernität in der ungarndeutschen Literatur

Erika Áts: Herbstelegie

Erika Áts: Herbstelegie

Lila und lose
tanzt Herbstzeit ins Land.
Kühle aus Kiefern.
Die Buchen entbrannt.
Wirbelwind weidet
die Wiesen zu Flausch,
Sonne senkt Süße
in Trauben, im Rausch.
Nirgends und nie mehr –
indes – das Licht
säumend, erbräunend
auf deinem Gesicht.

(1986)

 

 

Interpretation

Ähnlich wie das Gedicht Der letzte Tag am Plattensee beginnt auch dieses Werk mit der Darstellung von faszinierenden Naturbildern, mit dem wesentlichen Unterschied, dass sie im ersten Text – durch die sommerliche Fülle – nur die Liebesfaszination einzuleiten haben, im zweiten dagegen den ganzen Text dominieren. Der Titel Herbstelegie gibt in zweifacher Form eine schmerzlich melancholische Stimmung des Gedichtes vor. Einerseits durch die Gattungsbezeichnung ‚Elegie‘, die „nach heutigem Verständnis meist traurige, klagende Themen zum Inhalt hat“, andererseits durch die Zeitbestimmung ‚Herbst‘, die sowohl in der Kunst und Literatur als auch im Alltag die Vergänglichkeit symbolisiert. In dieser schwermütigen lyrischen Situation werden jedoch die Metaphern der vollendeten Schönheit eingeblendet – „Lila und lose / tanzt Herbstzeit“, „Sonne senkt Süße / in Trauben“. Trotz des Präsens verweist die Gegenwärtigkeit der Naturpracht auf das unwiederholbare Erlebnis der Liebe: „Nirgends und nie mehr – indes – das Licht / […] auf deinem Gesicht“. Zur subtilen Poesie von Áts gehört, dass sie sogar ein elementares und intensives Gefühl wie die Liebe durch feinste Transponierungen zum Ausdruck bringen kann.