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Helmut Herman Bechtel - Zoltán Szendi
Tradition und Modernität in der ungarndeutschen Literatur

IV. Liebe

 Valeria Koch: Liebe zeugt… (1975) (St 30)

Liebe zeugt Einsamkeit.
Der Hände Sehnsuchtskrampf
der Lippen Wundenrot
lösen Ohnmachtgeflüster
noch Ermattung kaum.
Den Zaun:
Millionen-Meilen-Zeit
dich: deine Einsamkeit
umarmst schon immer in ihm.
Liebe zeugt Nichts:
dein Sein
Verzweiflung und Pein
ohne das Licht seines Gesichts.

 Valeria Koch: Liebe im Café (1986) (E 111)

Ein Raubtier
betritt den Saal
geht mit geübten Schritten
zu einem Tisch
nimmt Platz bestellt Kaffee
mit Sahne
sein Blick hungrig
sein Blick wild
es erscheint die kleine Dame
das Raubtier leckt ihre Hand
bestellt ihr Kaffee
mit Sahne
sie streichelt ihm übers Fell
und lacht
wie immer während sie
verblutet

 Valeria Koch: Hilfsverbissima (1992) (St 161)

(Frech und leicht)
Sterben muß man
und aufs Klo.
Edel sei der Mensch
hilfreich und ... froh –
um des Reimes willen.
Geil zirpen die Grillen.
All you need
ist ein Glied
das wir sehen wollen.
Befreit von den Schollen
dürftiger Zeiten
dürft ihr euch streiten
um Eduscho oder Kaffee Hag.
Wer mich nicht mag
kann tun mir ein Gefallen
von hinten
vor allem.

 

 Koloman Brenner: Gespeichert (2003) (E 62)

An M.
Ein Foto
von der Seite
runtergeladen
als Datei gespeichert
man kann es
drucken
und vergrößern
trotz guter Auflösung
roch dein Haar
beim Abschied
besser

 strong>Koloman Brenner: Fragezeichen (S 26)

Wohlduftende
Mädchenköper
schmiegten sich an
behaarte Gestalten
die sich die Frage
wer bist du wirklich
noch nie gestellt haben
dies verursachte keine besondere
Gemütserregung
was sich
in unserem verlegenen Lächeln
widerspiegelt hat
das Grübeln aufzuheben war ein Ausweg
der verdammt
ehrlichfaul stank
wie unsere verglommenen Kippen
im Ascher

 Koloman Brenner: Fleischeslust (S 51)

Kaugummigeladenes Kichern
streift die Aura
Chemievorgänge im
Frühlingsgehirn
täuschen uns darüber
hinweg
Das feste Fleisch
der Raubtierblicke
wird lascher
und ein alter Freund
spricht weise
aber kostbarkühle
Augenblicke
halten uns fern
von der Versuchung

 Koloman Brenner: Sehnlichst (S 52)

Tja
wieder mal
das Jammertal
wobei ernst
wird´s nur
in Perlmütternächten
in letzter Zeit
die aufflackernden
wüstenfrommen Begehrensstürme
lassen im Kern
ein Loch übrig
still ruht das Gemüt
nur manchmal zittert die Glut
darin laß uns
noch weilen

 Koloman Brenner: Fast (S 57)

Fast
Tja
fast wäre
es geschehn
die antastenden
Bewegungen
versprachen den
Zellen
die Erfüllung
und doch
lächeln wir
beim Gehen

 Koloman Brenner: Furchen (S 58)

Die Furchen
meiner Hand
legen sich
an geplatzte Äderchen
Deiner Schenkel
ärmlich-süßer Geruch
der zerknitterten
Beischlafmomente
umwittert uns
auf Knopfdruck
kommt der Abschluß
und der Schlaf
aber jetzt
verspürst nur
die Rückenmarksignale
nicht
die Furchen lassen
meine Hand älter
aussehen
und das Aufsehen
ist verzweifelt
Es blubbern
die Tage wieder
vorbei

 

 Claus Klotz: Liebeslied Anno 1980 (1980) (E 96-97)

ich lieg in deinen armen
geschwind geschwind
in Nevada sind
sprengversuche
ich fluche
und suche
deinen kelch
rastlos in deinen armen
gott soll sich unser erbarmen
dein haar schweißperlenblitz
körper kämpfen verflochten
schon vorbei
du holst kaffee herein
wobei
ich frage
kennst du einen kriegswitz
nein
Clausewitz
sage ich
und wir lachen
wir armen
gott soll sich unser erbarmen
du nimmst die Zeitung
stellst darauf die tasse
ich lese
der präsident meint
nur Amerika ist klasse
du schlüpfst wieder zu mir
ich bin in deinen armen
gott soll sich unser erbarmen
es dauert nicht lang
bang
blinzeln wir in die stille
in die stille
stille
schauerstille
du warnst mich
der kaffee wird kalt
mein onkel meinte gestern
weltkrieg wird bald
und ich
bin schon wieder
in der gewalt
deiner arme
gott erbarme

 

 Robert Becker: An Lieschen (1989) (F 40)

ich streichle dich
mit Hand und Blick
mit Blick und Hand
mein unverstand'nes
Leben lang – so kurz:
die Ewigkeit mit dir

 Robert Becker: Trennung (1994) (F 81)

mit einem
Haar auf der Zunge
spielt ein
Kuß Vergißmeinnicht

 

 Robert Becker: Einsam

Ich habe die Stille verloren
und die Finsternis
auch den Mond
die Bäume sind mir geblieben
der Straße entlang
wenn sie am Bus vorbeifliegen
schaun sie mich immer an
1987

 

 Robert Becker: Russiko

Wie Salbe war ihr Blick
als sie im Lächeln
den Dreck der Tage verbarg.
Nach Jasmin roch die kurze Zeit:
Worte haben sich geregt
und Ruhe plauderte
aus unseren Gliedern.
Sternig schwingt der Tee
in silbernen Tassen –
in seinem Dampf
löste uns der Augenblick.
1992

 

 Valeria Koch: Der Weg zu dir

Der Weg zu dir
mit Samen der Entsagung
besät.
Der Weg zu dir
vom Sehnsuchtsblumenduft
durchweht.
1974

 

 Valeria Koch: Liebe

und verletzt
zuletzt
1974

 

 Valeria Koch: Zweizeiler der Liebe

Konklusion

Ich liebe deine Gedanken
also liebe ich dich
Wie weit
Liebende wissen nie Bescheid
die Nähe des andern wie weit
Auf der Suche
Mit Plakatekinderaugen
auf der Suche nach dir
Metapher
Entsagungsblick der Liebesaugen
in-sich-selbst-sinkende See
Vision
Wärmevollblick
brauner Verzweiflung
Effekt
Gedankenstillstand
du erscheinst
Platonische Liebe I
Wie schön unser niegebornes Kind.
Wie tot seine keuschen Eltern sind.
Platonische Liebe II
Dein Geist umarmt den meinen
ewig der Kuß unserer Gedanken

 

 Josef Michaelis: Deine Blondheit

(Frei nach Gyula Juhász)
Deine Blondheit –
Federgras, da mit feinem Locken im Sommerlüftchen winkt
Deine Blondheit –
Hechelflachs, der in Grimm-Märchen auf altem Spinnrad schwingt
Deine Blondheit –
Bernsteinglanz, in dem – gefangen – eine Urameise schwimmt
Deine Blondheit –
Tokaierwein, der im Mund mit Glut der Würzen glimmt
Deine Blondheit –
Scheudrhonig, der dein Antlitz wie Lavagold umrinnt
Deine Blondheit –
Weizenfeld, wo zwischen vollen Ähren der Windhauch springt
Deine Blondheit –
Gemäldegelb, in der Waldlichtungen hell leuchtendem Ton
Deine Blondheit –
Birkenlaub, das auch im bunten Herbst glänzt wie ein Lampion
Deine Blondheit –
Wasserfall, in dem geseihter Milchstraßenschein streift
Deine Blondheit –
in faseriger Zeit zu uns umarmender Stille reift
1987

 

 Josef Michaelis: 42 Grad Celsius

(An A.)
Schmelzendes Wachs
deiner Blicke
rinnt in meine Poren
Baumwolle
deines Tastsinnes
trocknet mich ab
Blonde Haarflut
überschwemmt mich
mit Stille-Seide
Auf unwegsamen Wegen
rollen Schweißperlen
in die aufatmende Glut
Fieber brennt
den Sommernachmittag

 

 Josef Michaelis: Mädchen aus Potsdam

Nächte bringen dich
Tage nehmen dich
Die Tage werden länger
die Liebe immer enger.
1976