Koloman Brenner: Vielleicht
An B.
Vielleicht
wäre ein Kind
aus uns geworden
Es fehlt
(1999)
Interpretation
Auf die Größe des Liebesverlustes weist der in Konditionalform ausgedrückte Zukunftstraum hin, der Wunsch, ein gemeinsames Kind zu haben. Ungewöhnlich mutet diese elegische Liebeserklärung deshalb, weil der Schmerz, die Geliebte verloren zu haben, nicht unmittelbar auf sie bezogen wird, sondern auf das Versäumnis, mit ihr eine Familie gründen zu können. Diese angedeutete Liebesperspektive, die selten im Geständnis eines Mannes zu erfahren ist, scheint deshalb wohl auch auf die Wirkung zu zielen, indem die ersehnte Vaterschaft in der Liebesbeziehung hervorgehoben wird ‒ ein intimer Umstand also, der eine verliebte Frau kaum unberührt lässt. Der zweisilbige Abschluss – „Es fehlt” – ist in diesem Sinne wahrscheinlich auch mit einer geheimen Erwartung verbunden: das ungeborene Kind kann (oder soll?) auch der geliebten Frau fehlen.