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Helmut Herman Bechtel - Zoltán Szendi
Tradition und Modernität in der ungarndeutschen Literatur

Valeria Koch: Haben und Sein

Valeria Koch: Haben und Sein

Ich habe
kein Haus
kein Auto
kein Telefon
weder
einen Gatten
noch
ein Kind
im Moment
dafür aber
bin ich
immer schon
wer ich bin

(1991)

 

 

Interpretation

Dieses poetische „Spiegelbild“ reflektiert die Existenz des Ich. Das Gedicht besteht aus zwei Hauptteilen. Die ersten 9 Zeilen stellen lauter Negationen dar. Zunächst werden materielle Güter aufgezählt, die zum Alltagsleben gehören, erst danach wird mit „weder […] noch“ wohl schmerzhafte Fehlen von Gatten und Sohn erwähnt. Abschließend wird durch die rhetorische Wende „dafür aber“ auf die selbstbewusst stolze Aussage pointiert: „bin ich / immer schon / wer ich bin”. Dieser tautologisch dünkende Satz ist eigentlich eine abgewandelte Form der bekannten Gottesworte aus der Bibel vom erwählten Mose: „Ich werde sein, der ich sein werde“ (Mose 2,3.14). Während aber Gott mit dieser Offenbarung eigentlich seinen Namen kundgibt, bezieht sich diese profane Version auf die Selbstbestätigung des lyrischen Ich. In dieser Selbstvergewisserung steckt ferner auch der Anspruch auf die geistig-moralische Überlegenheit, die das Selbstbewusstsein des Ich stärkt.