Biblische Motive
Robert Becker: Später Jonas
mein Herr!
die Welt ist
laut geworden.
mein Gebet
dringt nicht mehr
hoch zu dir.
(2002)
Interpretation
Die Unzulänglichkeit des biblischen Propheten wird in diesem Gedicht durch die Entfremdung des Einsamkeitsgefühls des modernen Menschen gestärkt. Die reduzierte Paraphrase des Flehens Jonas' stellt das aussichtslose Bemühen des lyrischen Ich, Zugang zu Gott zu finden, dar. In der resignierten Begründung "die Welt ist / laut geworden" sind Verzweiflung und Verzicht vorhanden, was eine schmerzhafte Kundgebung der Kapitulation der in sich gekehrten Seele darstellt. Die "laute Welt" ist Inbegriff der feindseligen Außenwelt, in der vor allem die Mächtigeren und "Draufgängerischen" zur Geltung kommen. In der Gegenüberstellung des introvertierten Menschen und der bedrückend schillernden Umwelt, scheint Gott selbst eine "problematische" Rolle zu haben. Wird er hier nicht – zumindest unmittelbar – wegen der Ungerechtigkeit der Welt angeklagt?
Noch ambivalenter ist das Verhalten des lyrischen Ich zu Gott. Denn in seinem Flehen ist deutlich auch der Vorwurf zu entnehmen, als wenn der enttäuschte Mensch auch den Allmächtigen beschuldigen würde, weil sein Gebet bei ihm nicht ankommen kann.