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Johann Schuth: Eröffnung der Ausstellung

Johann Schuth: Eröffnung der Ausstellung „Dort drunt an der Donau“

(Auszug)

(Leseverstehen)

 Ein Reich mit einer Sprache und denselben Sitten ist hinfällig und zerbrechlich, lesen wir in den Ermahnungen der Heiligen Stephans (1000-1038) an seinen Sohn Prinz Emmerich. Auch jetzt, im Jahr des Millezentenariums, als in Ungarn 1100 Landnahme im Karpatenraum durch die Magyaren groß gefeiert wird, sind diese Ermahnungen aktuell. Ungarn war über Tausend Jahre lang die gemeinsame Heimat zahlreicher Völker und Volksgruppen. Das Zusammenleben hatte Höhepunkte, aber auch dunkle Kapitel, über die man heutzutage offen diskutieren kann und muss. Das Millezentenarium bietet uns Ungarndeutschen die Möglichkeit, die Aufbauarbeit deutscher Bürger, Arbeiter und Bauern, die historische Vermittlerrolle der deutschen in Ungarn vor Augen zu führen. Ich darf auf die ziemlich in Vergessenheit geratene blühende städtische Kultur, die im Mittelalter Deutsche in Ofen und Pesth, in Ödenburg oder Fünfkirchen schufen, hinweisen. Diese wirtschaftlichen und kulturellen Leistungen – fester Bestandteil der ungarländischen Kultur – werden auch vom Mehrheitsvolk immer mehr gewürdigt.

Ende des 18. Jahrhunderts betrug die Zahl der Deutschen im damaligen Vielvölkerstaat Ungarn mehr als eine Million. In den Städten erschienen deutsche Zeitungen, Zeitschriften, Kalender, literarische Werke und wissenschaftliche Abhandlungen. Am 9. Feber 1812 wurde in Pest „das größte deutsche Theater der Welt“ eröffnet. Aus diesem Anlass komponierte Beethoven zu den Uraufführungen der Kotzebue-Stücke „Ungarns erster Wohltäter“, Belas Flucht“ und „ Die Ruinen von Athen“.

Graphiker Robert König, selber Ungarndeutscher, hatte seit längerem die Idee, das Zusammenleben zwischen Deutschen und Ungarn mit seinen künstlerischen Mitteln darzustellen. Robert König wurde 1951 in Stuhlweißenburg (ungarisch: Székesfehérvár) geboren. In der Stadt, in der die ersten ungarischen Könige aus dem Haus Árpád begraben liegen. Er studierte an der Akademie für Bildende Künste in Budapest Graphik, und unterrichtet dortselbst am Lehrstuhl für Graphik als Adjunkt. Er nimmt regelmäßig an in- und ausländischen Ausstellungen uns Ausschreibungen teil und erhielt mehrere Preise. 1993 hielt er als Gastlehrer an der Königlichen Kunstakademie in Den Haag (Holland) einen Kurs über Hochdruck sowie Holz- und Linostich. Robert König ist Mitglied in mehreren Künstlerverbänden und – vereinigungen, ist künstlerischer Leiter der Ungarischen Ex-Libris Gesellschaft, Vorstandsmitglied der Künstlersektion des Verbandes Ungarndeutscher Autoren und Künstler (VUdAK) und Mitglied der Künstlergilde Esslingen. Er interessiert sich besonders für die klassischen Graphischen Verfahren. In den letzten Jahren forscht er nach neuen Möglichkeiten der herkömmlichen Hochdrucktechnik.

Der Ausstellungsreihe „Dort drunt an der Donau“ gingen mehrfach vorarbeiten voran: Illustrationen zu ungarndeutschen Literaturbüchern oder zum Roman des Schriftstellers Márton Kalász, „Winterlamm“, die Ausstellung „900 Jahre Gemeinde Bohl/Bóly in Südungarn“, - hier war Robert König in seiner Kindheit oft bei den Großeltern zu Gast, und die Eindrücke, Erinnerungen an diese bäuerlich-bürgerliche Großgemeinde prägten seine Kunst mit. Des weiteren eine Ausstellung in Boschok/Palotabozsok anlässlich des von der Donauschwäbischen Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg organisierten Symposiums „Ungarndeutsche Identität in europäischer Dimension“ oder 24 Grafiken für das im November 1994 in Szekszárd eröffnete Gebäude der Deutschen Bühne Ungarn. In all diesen Graphiken werden Episoden, Gestalten unserer Geschichte kunstvoll dargestellt.

Für das Millezentenarium und die Ausstellungsreihe schuf Robert König eine Kunstmappe mit 22 Schwarz-Weiß-Linoschnitten sowie einem Farb-Titelbild, die den Beitrag der Deutschen zum Aufbau Ungarns zum Thema haben. Die Kunstmappe, die hier ausliegt und käuflich zu erwerben ist, enthält auch ein Begleitheft mit Dokumenten aus dem reichen deutschsprachigen Schrifttum im Karpatenraum, größtenteils ausgewählt von Dr. János Szabó von der Universität Budapest, der leider mitten in der Arbeit von uns ging. Diese Dokumente ergänzen, erklären mitunter die Graphiken.

(…)

Gerade in einer Aufbruchstimmung im Kreise der Ungarndeutschen, wo die Deutschen Selbstverwaltungen und Vereine mit dazu beitragen, eine bürgerliche-demokratische Gesellschaft aufbauen, ist es wichtig, uns auf die bleibenden Werte zu besinnen, die unsere Vorfahren im Laufe der Jahrhunderte geschaffen haben, und über die wir in den Beiträgen am Vormittag gehört haben. Heute Nachmittag erinnern wir uns aber auch an ein dunkles Kapitel der gemeinsamen Geschichte, an die Vertreibung der Deutschen aus Ungarn vor 50 Jahren. Dieser Katastrophe sind mehrere Zeichnungen in der Ausstellung gewidmet, eine versunkene, zusammengebrochene Welt darstellend. Gerade die heutige Veranstaltung und darin diese Ausstellung ist aber ein deutlicher Beweis dafür, dass die Ungarndeutschen fünfzig Jahre nach diesem Zusammenbruch imstande sind, neue, bleibende Werte zu schaffen.

(…)

(In: Georg Zielbauer (Hrsg.): Beitrag der Ungarndeutschen zum Aufbau der gemeinsamen Heimat)

 

Aufgaben zur Textbearbeitung (klicken Sie hier)

1. Wie charakterisiert der Verfasser das Zusammenleben des Mehrheitsvolkes und der hier lebenden anderen Nationalitäten

2. Womit hat die deutsche Volksgruppe des Landes zur Kultur des gemeinsamen Staates beigetragen?

3. Erklären Sie die Bedeutung der angegebenen Ausdrücke!

historische Vermittlerrolle:

Vielvölkerstaat:

 

 

Uraufführung:

 

 

Künstlerverband:

 

 

4. Füllen Sie die Tabelle mit den entsprechenden Elementen des Textes aus!

Person

Werk

Beruf/Tätigkeitsbereich

 

 

 

ungarischer König

Márton Kalász

 

 

 

 

Ungarns erster Wohltäter

Belas Flucht

Die Ruinen von Athen

 

 

 

Dort drunt an der Donau

 

 

Dr. János Szabó

 

 

5. Entscheiden Sie, ob die Aussagen richtig oder falsch sind?

___ Der Text wurde Anlässlich des Millezentenariums der deutschen Volksgruppe in Ungarn verfasst.
___ Robert König ist Mitglied der Künstlerverbände Ungarische Ex-Libris Gesellschaft, Verband Ungarndeutscher Autoren und Künstler (VUdAK) und Künstlergilde Esslingen.
___ Ende des 18. Jahrhunderts betrug die Zahl der Deutschen in Ungarn weniger als eine Million.
___ Robert König lebte und unterrichtete in den 1990er Jahren eine Zeit lang in den Niederlanden.

6. Stellen Sie in einer Skizze das Portrait von Robert König dar!

7. Der Text zitiert eine berühmte Passage aus den Ermahnungen des ersten ungarischen Königs Stephan I. Unterstreichen Sie im Text das Zitat! Argumentieren Sie für die Wahrheit dieses Gedankens im Bezug auf das Zusammenleben von Mehrheitsvolk und Minderheiten! Denken Sie während der Argumentation auch an ausländische Beispiele aus Europa oder von anderen Kontinenten!